Ich erläutere dieses Thema ausführlich in meinem Buch „Jungpferdeausbildung
mit System“ und beschreibe dort, was genau und wieviel und wie oft und wie
lange ich so mache. Dennoch erreichen mich zu diesem Thema Nachfragen, deswegen
möchte ich in diesem Artikel nochmal etwas „genereller“ zusammenfassen, was der
körperlichen und geistigen Entwicklung Ihres Jungpferdes nutzt und was ihm
Schaden tut.
Wir beginnen mit den Extremen: Da sind diese (zweieinhalbjährig
„angearbeiteten“) Drei- und Viejährigen, die durch Auktionshallen und Materialprüfungen
laufen ohne mit der Wimper zu zucken. Und sich dabei in exaltierten Bewegungen auf
brettlebenem Viereck oder über mannshohe Oxer beim Freispringen ihre
Babyknochen kaputtkloppen. Dass das nicht richtig sein kann, ist in unseren
gutinformierten und wohlmeinenden Freizeitreiterkreisen natürlich bekannt.
Unsere eigenen geliebten Vierbeiner mit Familienmitglied-Status wollen wir doch
bis sie dreißig sind gesunderhalten, mindestens.
Manches Mal resultiert aus diesem Gedankengang aber auch,
dass der heißgeliebte Freizeitpartner bis fünf, sechs oder siebenjährig gar nicht
arbeitet, sondern sich auf seinem Paddock oder reizarmer Wiese (im schlimmsten
Fall in Schrebergartengröße mit einem einzigen Gesellschaftspferd) die Beine in
den Bauch steht. Auch davon gehen Pferde definitiv kaputt! Man meint es ja nur
gut, aber…. Pferde sind nun mal Lauftiere, und ihr gesamter Organismus ist auf
locker 20km tägliches Gehen ausgelegt. Für die Gesundheit ihrer Atemorgane ist
es notwendig, diese ab und an auch mal wirklich zu benutzen, und das heißt
nicht im Schritt!
Dazu kommt die wünschenswerte Anpassung, die für ein
(zukünftiges) REIT-Pferd nun mal unerlässlich ist. Vereinfach gesagt muss man
bis zum fünften Lebensjahr das Pferd moderat auf die Belastungen seines
späteren Einsatzes vorbereiten. Möchte ich also das, was der typische
Freizeitreiter so möchte, wäre das: Auf sinnvolle Weise den Reiter
tragen. Über alle möglichen Untergründe laufen (ja, auch Schotter und bergauf),
auf dem Reitplatz die Kurven kriegen (am besten in allen Gangarten) und sich
über einem Cavaletti nicht die Beine brechen. Auch „nervlich“ ist in unserer
dichtbesiedelten Landschaft einiges zu verkraften: Das Jungpferd muss lernen,
optische und akustische Reize auszuhalten, die in seiner Natur eher weniger
vorgesehen sind. All das bringt Stress mit sich, und dieser Stress ist gut und
richtig und wichtig, denn er führt zur Anpassung des Organismus.
Wie finde ich nun die berühmte goldene Mitte?
Zum einen hängt der „Arbeitszwang“ von der Haltung ab. Wer einen perfekten Paddocktrail mit
unterschiedlichen Untergründen und wirklich weiten Wegen zwischen Heu und
Wasser hat, dazu Koppeln am Berg mit Waldstück und Bach, sowie eine hinreichend
große, aktive Herde mit Pferden aller Altersklassen, der hat ganz leicht reden.
Überprüfen Sie mal mittels GPS-Tracker, wieviel Kilometer Ihr Pferd in 24
Stunden macht. Sind das mindestens 15 und das Pferd wirkt dabei fit und
fröhlich, dann würde ich persönlich sagen: Dieses Jungpferd muss wirklich nicht
gearbeitet werden, der trainiert hinlänglich selbst.
Nur, wer hat diese perfekten, vielfältigen Reize in der
Haltung schon? Schauen wir wieder auf das geliebte Pony hinterm Haus, was mit
dem älteren Zweitpferd da so vor seiner Heuraufe steht. Dieses Pferd muss eben „gearbeitet“ werden, um
gesund zu bleiben und sich gesund zu entwickeln.
WIE GENAU ich die Jungpferde arbeite, habe ich in meinem Buch beschrieben. Die einzelnen Arbeitseinheiten halte ich betont kurz und mache betont „wenig“, aber eben kontinuierlich. Die Faustregel in Anlehnung an die HdV besagt, dass ein dreijähriges Pferd dreimal pro Woche arbeitet (mit IMMER mindestens einem Pausentag zwischen den Einheiten) und ich persönlich schlage als „Arbeit“ vor, das Pferd zu putzen, spazieren zu führen und es ruhig (!) auf dem Reitplatz frei laufen zu lassen und es dort an Trailhindernisse, Regenschirm etc zu gewöhnen. Diese Arbeit sollte sich noch nicht nach „Arbeit“ anfühlen.
Das vierjährige Pferd darf dann viermal pro Woche etwas tun
(mit IN DER REGEL einem Pausentag dazwischen. Zweimal am Stück geht auch, dann
aber wirklich wenig belasten) und ich würde es dann planmäßig anlongieren, es
an den Sattel gewöhnen und weiterhin spazieren gehen, nun auch mal größere
Runden und auch über Geländeschwierigkeiten wie kleine Gräben etc. Je nach
körperlicher und geistiger Verfassung würde ich das Pferd ebenfalls planmäßig
und kontinuierlich an das passive Reitergewicht gewöhnen, jedenfalls aber
eben in aufeinander aufbauenden Einheiten und wirklich minutenweise gesteigert.
Das fünfjährige Pferd darf dann fünfmal pro Woche etwas tun
(zwei Pausentage sinnvoll zwischen die Arbeitstage verteilt) und dabei würde
ich das Pferd nun wie gehabt in kleinen Schritten, aber eben doch
kontinuierlich vielseitig reiten und grundausbilden. Nun darf sich das
zwischenzeitlich auch schon mal nach leichter „Arbeit“ anfühlen. Bei den
Geländeritten soll es manchmal leicht ins Schwitzen kommen. Die „Belastungsart“
ist sinnvoll abzuwechseln, wenn ich zum Beispiel einen Tag längere Trabstrecken
in etwas tieferem Sandboden hatte, dann sollte darauf beispielsweise ein
Schrittausritt auf hartem Boden folgen.
Das sechsjährige Pferd kann dann bis zu sechs mal pro Woche gearbeitet
werden. Dieses Jahr ist das „Jahr der Grundausbildung“ und das bis dato
wie beschrieben auftrainierte Freizeitpferd darf und soll in diesem Jahr wirklich was
erleben. Von erstem kleinen Wanderritt bis hin zur Kursteilnahme auf externer
Anlage ist alles möglich, was Ihnen Spaß macht.
Diese Faustregel passen Sie bitte Ihren Bedingungen an. Beginnen Sie mit einem rohen oder jedenfalls untrainierten "älteren" Pferd, wird dieses dreimal pro Woche gearbeitet, im folgenden Jahr dann viermal und so weiter.
Soweit, so gut. Und wann soll das Pferd denn nun zu mir in
Beritt?
Drücken wir es so aus: Wenn Sie es sich leisten können,
bitte die ganze Zeit und ich begleite Sie einfach ständig bei allen
Ausbildungsetappen. Dann sage ich Ihnen immerzu, warum genau wir wieviel genau arbeiten und wieso wir wann Pausen machen.
Wenn Ihre Planung und Ihr Budget etwa ein halbes Jahr Beritt
bei mir vorsieht, dann würde ich sagen: Bringen Sie das Pferd vierjährig. Dann
longieren wir es an und reiten es an.
Eventuell macht es Sinn, ihre veranschlagten sechs Monate
zweizuteilen. Vier Monate bis zum Anlongieren/Anreiten , dann nehmen Sie
das Pferd erstmal wieder mit nach Hause, lassen das Pferd weiter wachsen und
üben einfach alles, bevor sie im nächsten Jahr wiederkommen um weiterzulernen.
Was tun, wenn ihr Pferd vierjährig körperlich gerade so gar nicht
nach „reitbar“ aussieht (Wir hatten das unlängst bei einem Araber)? Dann würde
ich das Pferd dennoch schonend anlongieren und nebenbei viel Spazieren gehen
(ob sie das daheim können oder ob wir das in Form von „Beritt“ hier machen, ist
beides gut!) und dann anreiten, wenn es vorne und hinten annähernd gleich hoch
ist.
Was ist zu tun, wenn ihr Pferd (älter als vier Jahre)
einfach insgesamt babyhaft und wenig bemuskelt ist? Da kann man es doch nicht
in Beritt geben? – Doch, uns schon! Wir reiten ja sowieso nicht sofort, sondern
trainieren das Pferd an der Longe und mittels Handarbeit auf. Außerdem wird die
Fütterung überprüft/angepasst und das Pferd osteopathisch durchgecheckt. „Mehr
Pferd“ wird Ihr Pferd nicht vom Rumstehen, sondern während SINNVOLLER ARBEIT.
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